Arbeiten im Gefängnis

Das zeigt die Geschichte von Raik Weigelt, 51 Jahre, aus Burgdorf bei Hannover. 2001 machten er und seine Frau sich als Verpackungsdienstleister selbstständig. Sie holen tonnenweise Schrauben und Nägel vom Großhändler und füllen sie in 250-Stück-Blister für den Baumarkt. Lange lief das Geschäft gut, ziemlich gut sogar. Weigelt kaufte eine Halle mit Arbeitsräumen, warb Mitarbeiter an. Zwischenzeitlich halfen 60 Leuten in seinem Unternehmen mit.


Doch dann eröffnete, nur 20 Autominuten entfernt, im Dezember 2004 in Sehnde eine neue JVA, mit 534 Plätzen eine der größten in Niedersachsen. Das Gefängnis betreibt eine Wäscherei, eine Lackiererei, Werkstätten für Metall- und Holzbau - und einen Verpackungsdienst. Seither, sagt Weigelt, gehe es für ihn bergab.

Für die gleiche Leistung berechne die JVA ihren Kunden 40 Prozent weniger. "Ich kann von meinem Preis keinen Euro runter, ich müsste eher noch hoch", sagt Weigelt. Allein im vergangenen Jahr sei der Umsatz um 30 Prozent zurückgegangen. Von den einst 60 Helfern seien fünf Mitarbeiter geblieben, für die Weigelt Mindestlohn und Rentenversicherung zahlt - wie es eigentlich jeder Arbeitgeber tun müsste.


Die JVA Sehnde wirbt derweil bei der Wirtschaft ziemlich unverhohlen mit dem Dumping-Vorteil. "Die Lohnkosten entsprechen in etwa denen in 'Billiglohnländern', in die die Unternehmen zunehmend Produktionsbereiche verlagern", preist sie sich auf der Homepage an. "Unser Angebot macht diese Maßnahme unnötig".


Welche Unternehmen im Knast produzieren lassen - und was sie zu den Arbeitsbedingungen sagen:

Gardena


Der Gartenmöbelhersteller Gardena lässt einfache Montagearbeiten in den Justizvollzugsanstalten Ulm, Ravensburg und Kempten erledigen. Seit den Achtzigerjahren nutzt das Unternehmen Gefängnisse als verlängerte Werkbank. Den Vorwurf des Lohndumpings weist Gardena zurück: "Jede geleistete Arbeitsstunde in den JVA ist für unser Unternehmen im Mittel mit Gesamtkosten verbunden, die in der Höhe über dem Mindestlohn liegen", teilt ein Sprecher mit. Zu den Kosten rechnet Gardena allerdings nicht nur die direkten Zahlungen an die Gefängnisse, sondern zum Beispiel auch die Kosten für die Anlieferung. "Die Entlohnung der Gefangenen ist gesetzlich geregelt. Sie ist nicht gekoppelt an die Zahlung des externen Auftraggebers an die jeweilige Einrichtung." Außerdem müsse man bedenken, dass die Gefangenen freie Verpflegung und Unterkunft erhielten.


Enercon


Auch in Windkraftanlagen steckt mitunter Gefängnisarbeit. Deutschlands größter Windkraftanlagenhersteller Enercon vergibt zwar selbst keine Aufträge an Justizvollzuganstalten. Aber ein Zulieferer, von dem Enercon Kabelsätze bezieht, lässt unter anderem in den Justizvollzugsanstalten Oldenburg und Meppen produzieren. Zur Zusammenarbeit kam es, nachdem die Gefängnisse sich an Enercon und anschließend an das Zulieferunternehmen gewandt hatten. Zur Frage nach der Verantwortung des Unternehmens für die Arbeitsbedingungen in den Haftanstalten sagt ein Sprecher: "Auf die Konditionen der Zusammenarbeit zwischen den JVA und unserem Zulieferer sowie auf die Höhe der in den JVA gezahlten Löhne hat Enercon keinen Einfluss."


Volkswagen


Volkswagen lässt Insassen der JVA Kassel Ersatzteile verpacken, die weltweit an Werkstätten verschickt werden. Den Großteil der Arbeit lasse Volkswagen aber von professionellen Verpackungsunternehmen erledigen, teilt ein Sprecher mit. Aufträge an karitative und öffentliche Institutionen würden vergeben, um diese zu unterstützen: "Das Arbeitsentgelt und die Sozialleistungen für Strafgefangene werden durch das Strafvollzugsgesetz geregelt."


MTU


Beim Flugzeugtriebwerk-Hersteller MTU Aero Engines hat die Produktion im Gefängnis eine mehr als 50-jährige Tradition. Für das Unternehmen arbeiten etwa hundert Gefangene in den Justizvollzugsanstalten Straubing und Landshut. So erhalte das Unternehmen "die Möglichkeit, im Inland kostenoptimiert zu produzieren, was ansonsten in Deutschland wirtschaftlich nicht darstellbar wäre". "Dabei halten wir uns als Unternehmen an alle vorgegebenen Maßgaben der Justiz, die beispielweise auch die finanziellen Bezüge der Inhaftierten regelt", sagt eine Sprecherin.

Miele


Der Küchengerätehersteller Miele lässt kleinere Geräte in den Justizvollzugsanstalten Bielefeld-Senne, Rheinbach, Hannover und Sehnde montieren. Auch Kommissionier-, Verpackungs-, Wäscherei- oder Handwerkstätigkeiten würden an Gefängnisinsassen vergeben, teilt das Unternehmen mit. Das Gesamtvolumen der Aufträge belief sich im vergangenen Geschäftsjahr auf gut 600.000 Euro. Sozialdumping weist auch Miele weit von sich: "Die Bemessung und Auszahlung der Vergütung ist Sache der JVA", sagt ein Sprecher. Ob den Gefangenen ein Mindestlohn oder eine Rentenversicherung zustehen sollte, sei "eine politische Frage", zu der Miele keine Stellungnahme abgeben wollte.