PÄDOPHILEN-RING VON POLIZEI ZERSCHLAGEN

Wie schützen wir unsere Kinder

Münster/Düsseldorf – Die Ermittlungsergebnisse sind erschreckend und schockierend: Zum Teil sind die Verhafteten Familienväter, die ihre eigenen Kinder missbrauchten und sie anderen Pädophilen auslieferten. In einer Gartenlaube, in Autos und wahrscheinlich noch weiteren Orten.


Die Täter

Elf Personen wurden festgenommen, sieben von ihnen sitzen in Haft.

Der Hauptbeschuldigte ist Adrian V. (27), IT-Experte aus Münster. Er arbeitete als Administrator in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Coesfeld (Nordrhein-Westfalen).

Zweimal wurde er bereits wegen des Verbreitens von Kinderpornografie auf Bewährung verurteilt, machte Therapien. Darüber hinaus beschuldigt: seine Mutter (45).

Sie soll von den Taten gewusst und sie aktiv unterstützt haben. Sie arbeitete bis zu ihrer Festnahme als Erzieherin in einer Kita.

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IT-Experte Adrian V. (27) aus Münster (NRW) ist der Hauptverdächtige. In vier Bundesländern nahmen Ermittler insgesamt elf Personen fest

Außerdem in U-Haft: ein Mann (30) aus Staufenberg in Hessen, ein Mann (35) aus Hannover, ein Mann (42) aus Schorfheide in Brandenburg, ein Mann (43) aus Kassel und ein Mann (41) aus Köln. Adrian V. soll sich über das Darknet mit den Männern zum sexuellen Missbrauch der Kinder verabredet haben.

Die Opfer

Drei Kinder seien bisher als Opfer identifiziert worden. Fünf, zehn und zwölf Jahre alt. Der fünfjährige Junge ist der Sohn des Staufenbergers. Der Zehnjährige ist der Sohn der Lebensgefährtin des Hauptverdächtigen. Der 12 Jahre alte Junge ist der Neffe des Beschuldigten aus Kassel.

Alle Opfer werden derzeit von den zuständigen Jugendämtern betreut. Die Kinder sollen vor den Taten betäubt worden sein. Körperliche Verletzungen haben sie nicht davongetragen, sagte Poll. Die Kinder seien von Rechtsmedizinern untersucht worden.

Die Gartenlaube

Einer der Haupttatorte ist eine Gartenlaube in Münster. Sie gehört der Mutter des Haupttäters. Vier Männer sollen hier, so die Ermittler, beispielsweise Ende April wechselweise zwei der Jungen über Stunden schwer sexuell missbraucht haben. Das habe die Auswertung einer bereits gelöschten Festplatte ergeben, die die Ermittler versteckt in einer Zwischendecke gefunden haben. In der Hütte befanden sich ein Doppelbett und ein Doppel-Hochbett.

Die Ermittlungen

Nordrhein-Westfalen war seit Anfang 2019 wegen mehrerer Fälle von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in die Schlagzeilen geraten. Auf einem Campingplatz in Lügde im Kreis Lippe hatten mehrere Männer Kinder hundertfach über Jahre schwer sexuell missbraucht. Ermittlungen zu einem bundesweiten Kinderpornografie-Tauschring hatten im Oktober 2019 in Bergisch Gladbach bei Köln begonnen und erstrecken sich mittlerweile auf sämtliche Bundesländer.
In einem Keller in Münster habe man einen komplett eingerichteten, klimatisierten Serverraum gefunden. Er sei dem 27-jährigen Tatverdächtigen zuzurechnen, einem IT-Techniker, sagte Poll. Das Speichervolumen der sichergestellten Daten liege nach ersten Erkenntnissen bei über 500 Terabyte.

Poll sprach von mehreren Hundert Asservaten an gefundener IT-Technik. Die Datenträger seien hochprofessionell verschlüsselt worden. Den Ermittlern sei es bis heute nicht gelungen, alle Daten zu entschlüsseln. Poll sprach von aufwendigen, kniffligen und mit viel Technik verbundenen Ermittlungen.

Münsters Oberbürgermeister reagiert bestürzt

„Ich bin erschrocken, dass unsere Stadt offenbar Schauplatz solch schrecklicher Taten war“, teilte Markus Lewe (55, CDU), Oberbürgermeister der Stadt Münster, mit. „Unsere Aufmerksamkeit und unsere Gedanken sind bei den Kindern, die nun in sicheren Einrichtungen sind und dort umfassende professionelle Hilfe bekommen.“

Der Fall zeige in erschreckender Weise, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern und die Brutalität der Täter viel größere Dimensionen habe, als noch vor wenigen Jahren allgemein bekannt gewesen sei.
Das bisherige Ermittlungsergebnis im aktuellen Fall nach rund dreieinhalb Wochen sei wohl nur die Spitze des Eisbergs, sagten übereinstimmend Poll und Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. Die Ermittler hätten „unfassbare“ Bilder sehen müssen, sagte der Leiter der Ermittlungen, Joachim Poll.

Das Jugendamt der Stadt Münster hatte Kontakt zu der Familie von einem der Opfer des Missbrauchsfalls in Nordrhein-Westfalen. Die Familie sei den Behörden aus den Jahren 2015 bis 2016 bekannt, „weil der soziale Kindsvater wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen war“, teilte die Stadt am Samstag mit. In dieser Zeit habe das Jugendamt Kontakt zu der Familie gehabt.

2015 habe das Familiengericht trotzdem keinen Anlass gesehen, das Kind aus der elterlichen Verantwortung zu nehmen. Oberbürgermeister Lewe sagte dazu: „Eine Bewertung können wir erst vornehmen, wenn die Faktenlage dafür ausreichend geklärt ist.“

NRW hat Kampf gegen Kindesmissbrauch zur Chefsache erklärt

Nach dem Missbrauchsfall Münster mit hochprofessionell eingesetzter IT-Technik fordert Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter eine deutlich verbesserte personelle und technische Ausstattung bei der Polizei.

Fiedler lobte, dass NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) das Thema Kindesmissbrauch zur Chefsache erklärt habe. „Es reicht aber nicht aus, mit kleinen Schritten voranzugehen, was die Ausstattung und was die Qualifikation angeht“, sagte Fiedler. Jetzt seien riesengroße Schritte notwendig. Ein Plus an Experten wie IT-Techniker für Verschlüsselungstechnik oder Leute, die sich mit Opferanhörung auskennen, sei notwendig.